Mächtigkeit von Mengen; endliche und unendliche, abzählbare und überabzählbare Mengen; Hierarchie der Zahlenklassen

Fragen:

  1. Wann haben zwei Mengen ein- und dieselbe Elementzahl ("Mächtigkeit")?
  2. Wann ist eine Menge endlich / unendlich?
  3. Gibt es verschiedene "Qualitäten" von unendlicher Mächtigkeit?
Warum haben { a, b, c } und { 1, 2, 3 } die selbe Anzahl von Elementen?
Es gibt eine 1 - 1 - Zuordnung zwischen den beiden Mengen, zum Beispiel:
3
2
1
Definition 1:

Es seien A, B Mengen. Dann heißt A gleichmächtig zu B ( Schreibweise: A  B bzw. # A = # B ) genau dann, wenn eine 1-1-Zuordnung von A auf B (sogenannte Bijektion von A auf B) existiert.

Definition 2: (Endlichkeitsdefinition nach R. Dedekind (1831 - 1916))

  1. Eine Menge M heißt endlich genau dann, wenn  ( M'  M'  M )
  2. Eine Menge M heißt unendlich, wenn sie nicht endlich ist.
  3. Die Mächtigkeit der leeren Menge ist gleich Null ( # =0 ).
Beispiele:
  1. sind unendlich.

  2. Folgerung:  G (gerade Zahlen);  U (ungerade Zahlen)
     

  3.          0    1    2    3    4    5    .......

  4.                   0    1   -1    2   -2    3    .......

    n

    daraus folgt: die Mächtigkeit der Menge  ist eine typische Mächtigkeit für unendliche Mengen

Definition 3:

Mit  (aleph-null) bezeichnen wir die Mächtigkeit der Menge . Ist eine Menge M gleichmächtig zu , so nennen wir M abzählbar unendlich und schreiben # M = .

Folgerung:  #  = # U = # G = # P = #    (P - Menge aller Primzahlen)

Satz 1: Die Menge aller Paare natürlicher Zahlen ist abzählbar unendlich ( # (  ) = # 2 = #  ).

Beweis: Wir geben eine Bijektion von  auf  an:

Bijektion C:
 
C: (0,0) (0,1) (1,0) (0,2) (1,1) (2,0)  (0,3)  (1,2) (2,1) (3,0) (0,4) ......
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 ......
 
Zuordnungsvorschrift:

Beispiele:  C(0,0) = 0 ; C(2,0) = 5 ; C(4,1) = 19 ; C(231,99) = 54846

C heißt "Cantornummerierung"
Umkehrfunktionen l und r zu dieser Cantornummerierung:   (....noch zu ergänzen)

Folgerung 1:

Auch die Menge aller geordneten Tripel natürlicher Zahlen und allgemein die Menge aller geordneten s-Tupel natürlicher Zahlen ist abzählbar unendlich. ( s > 2, s  ) ( # 3 = # S )

Beweisidee:

Die Cantornummerierung der Menge aller Tripel natürlicher Zahlen erhalten wir zum Beispiel durch den Ansatz:

C3 (m,n,k) = C (m,C(n,k))
zugehörige Umkehrfunktionen:
C13 (z) = l (z)
C23 (z) = l (r(z))
C33 (z) = r (r(z))
Verallgemeinerung: CS (m1, ... ,mS) = C (m1,CS-1 (m2, ... ,mS))

Folgerung 2:

Die Menge  aller rationalen Zahlen ist abzählbar unendlich, das heißt #  bzw. .

Beweis:Wir geben eine Bijektion von  auf  an:

Beschreiben der Bijektion (Nummerierung): Anfang der Bijektion:
 
0 1 -1 1/2 -1/2 2 -2 1/3 -1/3 3 -3 1/4 -1/4
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Satz 2: (Cantor 1874)

Das reelle Intervall (0,1) = {x: x  0 < x < 1 } ist nicht abzählbar unendlich, das heißt # (0,1)  bzw. (0,1) .

Bemerkung:

Die Mächtigkeit von (0,1) ist "größer" als die der natürlichen Zahlen, sie wird die Mächtigkeit des Kontinuums genannt und mitbezeichnet.

Beweis:

Jede reelle Zahl aus (0,1) hat die Form 0,a1a2a3... mit ai.
Annahme: (0,1) , das heißt es gäbe eine Bijektion von  auf (0,1).
                Das heißt, es gibt eine Nummerierung all dieser reellen Zahlen:

0, a11  a12  a13  a14  a15  ...
0, a21  a22  a23  a24  a25  ...
0, a31 a32  a33  a34  a35  ...
Dann betrachten wir die Zahl d = 0,d1d2d3... ("Diagonalzahl") mit 
Nach Konstruktion gilt d  (0,1), aber d unterscheidet sich von jeder Zahl in der obigen Nummerierung (in mindestens der i-ten Stelle nach dem Komma). Dies steht jedoch im Widerspruch zur Annahme!

Folgerung:

Jedes reelle Intervall (a,b) ( a < b; a,b  ) sowie die gesamte Menge der reellen Zahlen ist zu (0,1) gleichmächtig.

Hierarchie der Zahlenklassen:

Gibt es weitere unendliche Mächtigkeiten außer  und ?

Satz 3: (Satz von Cantor)

Es existiert keine Menge A mit A  P(A). Das heißt, für alle Mengen A gilt A  P(A).

Folgerung:

Durch Potenzmengenbildung entstehen stets neue ("höhere") Mächtigkeiten.
zum Beispiel:  P() ;  P( P(P())  P(P(P()))

indirekter Beweis des Satzes von Cantor:

Annahme: Es existiert eine Menge A derart, daß A  P(A).
                Das heißt, es existiert eine Bijektion f:A  P(A)
                Dann bilden wir die Menge X = { x: x  A f(x) }  A. Dann gilt X P(A).
                Dann existiert (genau) ein a0 A mit f(a0) = X.
                Dann gilt a0 X a0 a0 f(a0 a0 X
Dies ist ein Widerspruch, die Annahme ist also falsch und der Satz damit bewiesen.

Die Cantorsche Mengenlehre wird auch als "naive Mengenlehre" bezeichnet. Grund: Sie läßt logische Antinomien (Widersprüche) zu. Dies führte zur Kritik an der Cantorschen Mengenlehre und zur Entstehung anderer Konzepte (z.B. Typen- bzw. stufentheoretischer Aufbau der Mengenlehre, Klassentheorie, ...)

Beispiel: Russelsche Antinomie (B.Russel 1872 - 1970)

R = { M: M Menge  M } ist offenbar eine Cantormenge.
Dann gilt: R  R R          Widerspruch!
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